Der Verbreitungsschwerpunkt der Kreuzkröte (Epidalea calamita) liegt im westlichen Mitteleuropa. Deutschland beherbergt als Zentrum circa 10 bis 30 Prozent des Weltbestandes (!) der Kreuzkröte und wir tragen daher eine besondere Verantwortung für das Überleben dieser geschützten Art. Sie wird in der aktualisierten Roten Liste Deutschlands als stark gefährdet aufgeführt und gilt unter den Lurchen als der große Verlierer der letzten Jahre – auch bei uns in der Pfalz!
Ein Beitrag von Sarah Kuffner und Kurt Garrecht, NVS Südpfalz
Während die Kreuzkröte ursprünglich offene, vegetationsarme Auenlandschaften mit ihren immer wieder neu entstehenden Rohböden besiedelte, war sie im Laufe der letzten Jahrhunderte durch Flussbegradigung und Eindeichung gezwungen, anthropogen überprägte Standorte als Sekundärhabitat für sich zu erschließen. So ist sie noch heute in Sand- und Kiesgruben, vor allem aber in ackerbaulich genutzten, sandigen Flächen zu finden.
Wenn sich zwischen Spargeldämmen oder in Ackersenken im Frühjahr das Regenwasser ansammelt, findet die kleine Kröte ideale Fortpflanzungsbedingungen vor, flache, sich schnell erwärmende Pfützen. So können die Kaulquappen innerhalb von drei bis fünf Wochen ihre Entwicklung vom Schlupf bis zum Metamorphing mit dem darauffolgenden Landgang durchlaufen. Solche Bedingungen mit sandigen Böden und vorherrschendem Spargel- und Kartoffelanbau konnte die Kreuzkröte in der Vorderpfalz häufig vorfinden und so entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte z. B. zwischen Kuhardt und Hördt eine stabile Population. Auf den Ackerflächen wie auch in den angrenzenden Ackerrandstreifen und Brachen jagen die nachtaktiven Tiere, tagsüber ziehen sie sich in Erdspalten und Kleintierbauten zurück oder graben sich einfach im lockeren Sand ein, um der Hitze und den Blicken der Fraßfeinde zu entgehen.
Die Geschwindigkeit des Wandels
überfordert
die natürliche Anpassung.
Doch die Abhängigkeit von Kleinstgewässern bringt für die Kreuzkröte neuerdings ein massives Problem mit sich – die durch den Klimawandel bedingte Frühjahrstrockenheit, in Verbindung mit immer weiter sinkenden Grundwasserständen. Bereits in den letzten Jahren war zu beobachten, dass ein großer Teil der Laichgewässer mangels Regen bereits vor Abschluss der Metamorphose komplett austrocknete und ein künstliches Bewässern durch Amphibienfreunde immer häufiger nötig wurde, um eine ausreichende Zahl an Jungtieren „an Land zu bringen“. Die diesjährige, extreme Dürre verschärfte die ganze Situation so weit, dass sich ausschließlich in den bewässerten Ackersenken überhaupt noch Landgänger entwickeln konnten. Leider wurde dieses Engagement im Kampf gegen das Artensterben teilweise zunichte gemacht, als im Zuge der spätsommerlichen Saatbettbereitung einige dieser Ackersenken umgepflügt wurde.
Kaum an Land, waren die nur wenige Millimeter großen Jungtiere außerdem sehr heißen und trockenen Winden sowie einem massiven Nahrungsmangel (kleine Insekten wie Springschwänze und Ameisen) ausgesetzt – hier wird auch die Vulnerabilität, bedingt durch die Abhängigkeit von der menschlichen Landnutzung, deutlich. Denn diese hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Hecken und Säume und somit auch ein Schutz vor austrocknendem Wind fehlen in der ausgeräumten Feldflur fast vollständig, Insekten finden weniger Nahrung und auch keinen Rückzugsort mehr, wo sie vor Pestiziden geschützt sind. Zusätzliche Konflikte treten vor allem dort auf, wo neuartige Bewirtschaftungsweisen mit den Lebensgewohnheiten der Tiere auf der Ackerfläche kollidieren. So kommt es regelmäßig zu hohen Verlusten, wenn nachts die Beerntung der Ackerflächen durchgeführt wird. Der stark wasserabhängige Gemüseanbau greift trotz Klimawandel in unserer sowieso schon niederschlagsarmen Pfalz immer weiter um sich, was nur durch massive künstliche Beregnung möglich ist. Wenn in den stetig trockner werdenden Jahren diese Flächen noch die einzigen sind, die den Amphibien das vermeintlich lebenserhaltende Nass bieten, konzentriert sich die ganze Population auf den beregneten Flächen. Üblicherweise wird direkt vor der Ernte, zum Teil auch bis zum Beginn dieser, nochmals intensiv beregnet – ein Super-GAU für die betroffene Population, was bis kurz vor deren Ausrottung führen kann.
Intensive Landwirtschaft
nimmt keine Rücksicht.
Durch die voranschreitende Klimaerwärmung verlagert sich auch der Start der Vegetationsperiode deutlich nach vorne. Diese Begebenheit wird auch beim Gemüseanbau genutzt wird. Um jedoch gegen Frosteinbrüche gewappnet zu sein, werden immer häufiger und großflächiger Verfrühungsfolien eingesetzt, die stellenweise bereits im Februar direkt auf den Boden ausgebreitet werden. Neben Tonnen an zusätzlichem Plastikmüll und Schädigung des Bodenlebens fordern diese Folien auch unter den Kreuzkröten unzählige Opfer – die Tiere können ihr Winterquartier, das sich oft im Ackerboden befindet, nicht mehr verlassen und sterben einen langsamen Tod. Der Rückgang der Kreuzkröte in unserer Kulturlandschaft und die jetzt notwendigen Anstrengungen zum Erhalt dieser Art, ist nicht nur eine moralische und rechtliche Frage, sondern genau genommen auch eine Frage der Zukunft der Landwirtschaft – denn eine Agrarwende ist angesichts von Klimawandel, Bodendegradation und Artensterben dringend nötig.
Hier zeigt sich die zentrale Bedeutung des Artenschutzes, denn durch seine Instrumente werden automatisch auch Klima und Boden geschützt und die Resilienz der Landwirtschaft gefördert: beispielsweise durch die vermehrte (Wieder-)Anlage von Säumen und Hecken, die Kleintieren Schutz bieten, Bestäuber fördern und Erosion sowie Austrocknung mindern; Reduktion von Mineraldünger und dadurch weniger durch Verätzungen getötete Amphibien, weniger klimaschädliche Emissionen und weniger Gewässerbelastung; ein auf Diversifizierung, Fruchtfolge, kleinen Schlägen und der Förderung von Nützlingen basierender Pflanzenschutz; den Verzicht auf Befahren von vernässten Äckern mit schweren Maschinen und der daraus resultierenden Bodenverdichtung; eine Beendigung der nicht mehr zeitgemäßen, massiv betriebenen Entwässerung und stattdessen Rückhalt des Wassers und Anhebung des Grundwasserspiegels. Einige dieser Maßnahmen müssen finanziell gefördert werden und lassen sich z. B. mittels Ausgleichszahlungen, PIK, Vertragsnaturschutz oder Artenschutzprogrammen umsetzen, bei anderen Maßnahmen kann und muss auch durch entsprechende Kommunikation ein Umdenken angeregt werden.
Auch wenn, wie überall, das miteinander Reden die Basis für Lösungen darstellt, sollte eines klar sein: neben Appellen und Unterstützungsangeboten vonseiten des Naturschutzes muss es unser aller Bestreben sein, gegen Artensterben und Klimawandel praktikable Lösungen gemeinsam zu finden. Denn ohne Zusammenarbeit mit den Landwirten kann Artenschutz in unserer Kulturlandschaft nicht gelingen und ohne Artenschutz hat auf Dauer auch die Landwirtschaft keine Zukunft.