Heimische Zugvögel

Klimawandel 1:0 Heimische Zugvögel

Sobald sich die ersten milderen Temperaturen einstellen, kehren auch die Zugvögel aus ihren Überwinterungsgebieten zu uns zurück. Gänse, Kraniche, Schwalben und Co. hört und sieht man dann wieder im Garten oder im Stadtpark. Die Auswirkungen des Klimawandels auf das Zuggeschehen und die zunehmende globale Erwärmung bringen das Leben der Zugvögel jedoch offensichtlich mehr und mehr durcheinander.

Gibt es Auffälligkeiten im Zugverhalten derjenigen Vögel, die den Sommer bei uns
verbringen?

Generell ist zu beobachten, dass die Zugvögel immer früher zurückkommen, sprich circa 10 Tage früher als noch vor 30 Jahren, der Heimflug aber artbezogen mal früher oder später ist. Das erklärt sich durch die Veränderung der großräumigen Wetterlage in den Überwinterungsgebieten und vor allem auf den Zugrouten. Der Klimaeinfluss muss daher global betrachtet werden. Generell kann man festhalten, dass die Brutvögel länger bei uns verweilen. Auch ist bekannt, dass ursprüngliche Kurzstreckenzieher (Flugstrecke < 2.000 km) wie Hausrotschwanz oder Mönchsgrasmücke vermehrt hier und in Großbritannien überwintern. Sie kehren circa 1-2 Wochen vor ihren Verwandten aus West-/Südeuropa in die Brutgebiete zurück und verschaffen sich so Vorteile. Sie besetzen die besten Brutreviere und können diese gegen die vom Zug geschwächten Artverwandten später erfolgreich verteidigen. Auch einige Schwarzkehlchen überwintern in Westdeutschland statt in Südeuropa/Nordafrika. In der Südpfalz konnten daher Schwarzkehlchen im Winter in Brachen auf vereisten Hochstauden gesichtet werden.


Verkürzen sich durch das milder werdende Klima auch die bisherigen Zugstrecken der Vögel
und bleiben mitunter Vögel den ganzen Winter über schon bei uns?

Es ist nicht völlig klar, ob die beobachteten Überwinterer dann die stationären bzw. lokalen Brutvögel sind oder die Zieher mit Brutgebieten in Nord-/Osteuropa. So ist das Rotkehlchen im Garten im Winter nicht zwingend dasselbe wie das im Sommer. Bei fast allen Vögeln ist im Winter ohnehin eine Nord-Süd-Verschiebung zu beobachten. Auch Weißstörche ändern bekanntermaßen ihr Zugverhalten und überwintern teilweise in Südeuropa, wagen also den gefährlichen Überflug über Gibraltar und die Sahara oft nicht mehr. Es ist also eine große Dynamik im Vogelzug zu erkennen. Die dokumentierte Beobachtung eines Braunkehlchens Anfang Januar auf einer NVS-Fläche in der Südpfalz muss zunächst als Ausnahmeerscheinung eingestuft werden, über die Ursachen kann nur spekuliert werden. Das Braunkehlchen ist ein Langstreckenzieher, überwintert eigentlich im tropischen Afrika und ist bei uns lediglich von April bis maximal Oktober anzutreffen.

Braunkehlchen

Durch den Klimawandel werden Ökosysteme, Biotope, Brutplätze und Rastplätze geändert oder gehen ganz verloren. Landfraß, Insektensterben, intensive Nutzung der Flächen sind weitere wesentliche Negativfaktoren.


Feuchtgebiete und Rastgebiete gehen im Vergleich zu Wäldern deutlich schneller verloren,
wirkt sich das auch direkt auf unsere einheimischen Vögel aus?

Niederschlagsarme Winter mit höheren Temperaturen sorgen dafür, dass die Feuchtwiesen schneller trocken fallen und sich der Bewuchs auf den Flächen schneller entwickelt. Für die Dunenküken der Wiesenbrüter, wie die des großen Brachvogels, kann das hohe, dichte Gras gefährlich werden. Durchnässte Küken trocknen darin nicht mehr schnell genug ab und können unterkühlen, die Bewegung und die Nahrungssuche durch den dichten Bewuchs ist für die Kleinen zudem sehr kraftraubend. Auch klimawechselbedingte Extremwetterlagen haben einen Einfluss auf den Brut- und Überwinterungserfolg und können zu höheren Ausfällen auf den Zug führen. Wärmeliebende Arten hingegen, wie zum Beispiel der Bienenfresser, breiten sich weiter nach Norden aus und „profitieren“ vom Klimawandel. Ursprünglich südliche Vogelarten wie Seidenreiher, Alpensegler, Felsenschwalbe oder Orpheusspötter sind jetzt immer häufiger als Brutvögel zu beobachten und breiten sich ebenfalls in Süd- Nord-Richtung aus. Kälteaffine Arten wie das Schneehuhn hingegen wandern in den Bergen immer weiter nach oben, die Insekten für die Jungenaufzucht treten früher auf, das weiße Winterkleid der Altvögel erfüllt ohne Schnee keine Tarnwirkung. Für sie verschlechtern sich die Bedingungen.

Die klimatischen Veränderungen wirken sich größtenteils negativ auf die Vogelarten aus. Gibt es Vogelarten bei uns, die sich mit den veränderten Bedingungen gut arrangieren?
Entscheidend ist auch die Anpassungsfähigkeit der einzelnen Arten. Kurzstreckenzieher werden vermutlich schneller reagieren als Langstreckenzieher. Es kann sein, dass die Kurzstreckenzieher auf lange Sicht davon profitieren, da sie früher Reviere besetzen und sich damit auch Brutplätze und Nahrungsquellen sichern. Auch können diese flexibler auf geänderte Bedingungen reagieren und gegebenenfalls in günstigere Gebiete zurückwandern.

Kann es sein, dass sich Vögel aufgrund des veränderten Zugverhaltens
mit neuen Feinden auseinandersetzen müssen?

Eine Veränderung der Prädation – der Beziehung zwischen Räuber und Beute – durch den Klimawandel sehe ich persönlich eher nicht. Hier spielen eher andere Aspekte eine Rolle, z. B. die Prädation durch Neozoen wie den geschickten, kletterfreudigen und wenig wasserscheuen Waschbär sowie die hohe Anpassungsfähigkeit der heimischen Prädatoren wie Fuchs und Marder bei gleichzeitigem Rückgang der bedrohten, nicht so anpassungsfähigen Vogelarten durch Verlust an Lebensräumen und Nahrungsquellen. Hier sind vorrangig die Bodenbrüter des Offenlandes zu nennen.

Die Engländer bezeichnen diese Vogelgruppe daher als die „lebenden Toten“.

Wie steht es im Allgemeinen mit der Entwicklung unserer heimischen Vogelarten?
Durch den Klimawandel werden Ökosysteme, Biotope, Brutplätze und Rastplätze geändert oder gehen ganz verloren. Landfraß, Insektensterben, intensive Nutzung der Flächen sind weitere wesentliche Negativfaktoren. Klar ist, dass sich die Artenzahl an Tieren und Pflanzen verringern wird. So sind die Prognosen für die wiesenbrütenden Vogelarten leider nicht sehr gut. Die Engländer bezeichnen diese Vogelgruppe daher als die „lebenden Toten“.

Was kann helfen und was kann jeder Einzelne tun?
Alle Maßnahmen und Projekte, welche den menschengemachten Klimawandel reduzieren und verlangsamen, sind wichtig. Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiete müssen erhalten bleiben, gegebenenfalls auch neu geschaffen oder aufgewertet werden. Die allgemeinen Lebensbedingungen nicht nur der Vögel sind zu verbessern. Die Menschen sollten ihre eigenen Lebensweisen und ihre Konsumgewohnheiten überdenken und anpassen. Außerdem ist die aktive Mitarbeit in oder auch die passive Unterstützung von engagierten Organisationen hilfreich – hier kann sich jeder und jede Einzelne engagieren.

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