Wassernot in der Pfalz? Wie der
Klimawandel unsere Gewässer verändert

Wie steht es um das Grundwasser in der Region? Man möchte annehmen, dass der
Pfälzerwald und die wasserreiche Rheinebene reichlich liefern, in Qualität und Quantität. Doch die veralteten, auf wasserreiche Zeiten ausgelegten Beregnungsanlagen sowie die zunehmenden Temperaturzunahmen beschreiben ein anderes Bild.

Von Dr. rer. nat. Holger Schindler, Gewässer-Experte, Geschäftsführer ProLimno, Elmstein

Die Pfalz besitzt nicht nur vielfältige Landschaften, sondern auch viele verschiedene Gewässergegebenheiten. Diese sind eng mit der Geologie verknüpft. Finden sich etwa im zentralen Pfälzerwald mit seinem Buntsandstein größere Grundwasserreserven und stark schüttende Quellen mit klarstem Wasser, so sind andere Landschaften nicht ganz so wasserreich. Aber auch dort tritt versickertes Regenwasser als gefiltertes Grundwasser in Form einer Quelle wieder zutage und speist die Gewässer.

Abschwemmung von
Böden durch
Intensivnutzung

Der Buntsandstein kann Grundwasser gut speichern, während andere Gesteine dies nicht so gut können. In der Pfalz kommen neben dem Sandstein weitere Sedimentgesteine (v. a. in der Nordpfalz), etwas Muschelkalk im Westrich und Bruchschollen im Oberrheingraben vor. Die Flüsse bringen jüngere Sedimente mit und lagern diese in den Tälern ab. Vor allem der Rhein macht dies in großem Umfang. Sind Böden nicht durchlässig, fließt das Wasser schneller wieder ab, so bei (Aue-)Lehmen. Der Mensch hat durch ackerbauliche und andere Tätigkeiten schon seit dem Mittelalter die Lehmschichten der Auen massiv erhöht, sodass die Gewässer heute oft eingetieft fließen. Ursache dafür ist die Abschwemmung von Rohböden (Felder, Weinbau) durch (Stark-)Regenereignisse. Wald ist dagegen die naturnahste Nutzungsform mit vielfach positiven Auswirkungen auf die Wasserqualität. Bodenauswaschungen finden trotz der oft steilen Hänge im Wald viel weniger statt. Vor allem Laubwald fördert die Grundwasserneubildung. Waldboden filtert das Regenwasser stark, fördert die Versickerung und dämpft Hochwasser. Das versickerte Regenwasser speist als neu austretendes Grundwasser unsere natürlichen Gewässer. Die größten Schüttungsmengen finden sich im Frühjahr nach der Schneeschmelze (falls überhaupt noch Schnee liegt), die geringsten im Frühherbst. Im Pfälzerwald (1.770 km2) sind nach einer Schätzung des Landesamtes für Umwelt etwa 2.500 (größere) Quellen verzeichnet, was etwa 1,4 (größere) Quellen pro km2 entspricht. Dabei ist die Quelldichte im Pfälzerwald mit seinen durchlässigen Böden gar nicht mal so hoch wie in anderen Regionen, Quellen versiegen hier aber wegen ihrer im Mittel höheren Schüttung weniger schnell und schütten gleichmäßiger. Typisch für den zentralen Pfälzerwald in Verbindung mit seinem pufferarmen Sandstein ist das weiche, saubere und mit hervorragender Trinkwasserqualität ausgezeichnete Quellwasser. Gesetzlich darf es aber nur als Trinkwasser bezeichnet werden, wenn die Qualität auch regelmäßig kontrolliert wird, was bei „wild“ abfließenden Quellen meist nicht der Fall ist. Quellwasser ist gleichmäßig kalt im Bereich des Jahresmittels der Lufttemperatur, wobei mit dem zunehmenden Klimawandel eine langsame Erwärmung stattfindet. Bereits jetzt ist eine Erwärmung um ca. 1,5 °C zu verzeichnen. Das Jahresmittel liegt je nach Höhenlage zwischen acht und zehn °C, sodass Quellen im Winter nicht zufrieren.

Deutlicher Rückgang
der Grundwasserneubildung

Die Grundwasserneubildungsrate ging in den letzten 15 Jahren immer deutlicher zurück, wobei an vielen Messtellen seit 2003 ein Sprung auf ein niedrigeres Niveau abzulesen ist. Es sind nach dem Landesamt für Umwelt Rückgänge im Schnitt um 25 Prozent zu verzeichnen, was sehr viel ist. Finden sich seit 15 bis 20 Jahren gehäuft Trocken- und Normaljahre, so fehlen seitdem Nassjahre, welche den Grundwasserspeicher vorher immer wieder aufgefüllt hatten. Parallel kommt es zur paradoxen Situation, dass zwar nicht sehr viel weniger Regen fällt, dieser aber vermehrt als Starkregen, welcher oberflächlich abläuft und zur Grundwasserbildung wenig beiträgt.

Die Entwicklung bei der Grundwasserneubildung wurde bislang unterschätzt, da nur die Niederschläge modelliert und dargestellt wurden. Sie sind im Winter zunehmend und im Sommer abnehmend dargestellt. Mit dem Hinweis auf die fast ausschließliche Grundwasserneubildung im Winter wurde von einem nur zeitweisen Rückgang der Gewässerabflüsse im Sommer ausgegangen. Vernachlässigt wurde aber die höhere Verdunstung im nun wärmeren Winter und vor allem die verlängerte Vegetationszeit im Jahr. Im Sommer wird kaum Grundwasser neu gebildet, da die Pflanzen Regenwasser direkt aufnehmen und es wieder verdunstet. Mit dem früher einsetzenden Frühjahr und dem späteren Herbst ziehen die Pflanzen aber auch im hydrologischen Winterhalbjahr noch so viel Wasser, dass statt sechs Monaten nur noch gut fünf Monate Regenwasser nennenswert versickern kann. Dies führt zum gemessenen Rückgang der Grundwasserneubildung und zu weniger Wasser in unseren Gewässern.

Dieser Rückgang ist besonders bei kleinen Gewässern sichtbar, welche im Gebirge entspringen und kleine Einzugsgebiete haben. Schütten Quellen in tieferen und Tallagen noch relativ gleichmäßig, so versiegen
sie in den Hochlagen zunehmend, vor allem im Sommer. Die schwächer schüttenden Oberhangquellen haben einen geringen Tiefengrundwasser aber einen hohen Bodenwasseranteil, welcher gerade im Sommer immer mehr ausfällt, da dann das Wasser aufgrund der höheren Verdunstung und Pflanzenaufnahme nicht tiefer eindringt. Oft sieht man noch den früheren Austritt z. B. als Loch unter einer Baumwurzel oder eine Hangmulde, nun ist aber der Grundwasserspiegel gesunken. Auch für die Trinkwassernutzung gefasste Quellen in den Hochlagen bringen immer weniger Wasser, sodass die Wasserversorgung der angeschlossenen Ortschaften gefährdet ist. Es muss dann auf andere Quellen ausgewichen oder Wasser über ein Verbundnetz bereitgestellt werden. Hierfür gibt es bereits einige Beispiele in Rheinland-Pfalz, auch im Pfälzerwald. In Zeiten von Wassernot müssen dann bestimmte Wasserverbräuche reduziert werden („Ampel-Management“).

Der Mensch
und
das Wasser

Quellen/Quellbäche sind übrigens besondere Biotope mit speziellen Tierarten, die nur hier vorkommen. Einige dieser Arten sind selten und stehen auf der Roten Liste, v. a. Wasserinsekten wie Köcherfliegen und Libellen. Auch die Quellschnecke, ein Glazialrelikt der letzten Eiszeit, kommt hier vor. Die Art hat sich wegen ihrer eingeschränkten Mobilität auf mehrere Einzelarten aufgespalten, sodass es in Deutschland fünf Arten gibt, die nur in begrenzten Regionen vorkommen. „Unsere“ Art ist Dunkers Quellschnecke (Bythinella dunkeri). Sie ist eine Verantwortungsart für Rheinland-Pfalz, weil sie hier ihren Schwerpunkt hat. Sie kommt in naturnahen, unversauerten Quellen mit Falllaub vor.

Das Leben der Menschen hat sich immer eng an Quellen und Brunnen abgespielt, da täglich Wasser geholt und gewaschen werden musste. Dörfer wurden an Stellen begründet, an denen Wasser vorhanden war, auch wenn heute wegen der öffentlichen Wasserversorgung kein Gang zum Brunnen mehr nötig ist. So sind denn auch die Begriffe Quelle und Brunnen kaum zu trennen. Der frühere Ausbau zu einem Brunnen (meist vor vielen Jahrzehnten) zerstörte das ursprüngliche Quellbiotop bzw. überprägte es. Heute sind Quellbereiche als natürliche Biotope nach dem Bundesnaturschutzgesetz vor Veränderungen geschützt (§ 30). Die besondere Bedeutung der Quellen ist seit über 30 Jahren bekannt. Wurde eine gefasste Quelle lange nicht mehr unterhalten, hat sich meist wieder ein sekundäres Quellbiotop entwickelt. Erneute Eingriffe wirken sich dann wieder negativ auf die Ökologie aus.

Die
Austrocknungsgefahr
steigt

Die kleinen Gewässer fließen in Richtung der großen Gewässer Rhein und Mosel über die Flüsse Glan, Schwarzbach, (Wald-)Lauter, Alsenz, Pfrimm, Eisbach/Eckbach, Isenach, Speyerbach, Queich, Michelsbach/Otterbach, (Wies-)Lauter und Saarbach. Die Pfälzer Wasserscheide führt über die Höhen des Pfälzerwaldes. Nur Saarbach und Schwarzbach fließen nach Westen über die Blies und Saar in die Mosel, die anderen direkt oder indirekt (Lauter, Alsenz) über die Nahe in den Rhein. Mit dem Rückgang der Grundwasserstände und der Abflussmenge der Gewässer sind noch weitere
Effekte verbunden. Da mit der Grundwasserneubildung die Grundwasserstände sinken, kann das Grundwasser, welches vorher die Bäche durch Grundwasseraustritte an der Bachsohle gestützt hat (Exfiltration), dies nun nicht mehr. Stattdessen kommt es zur Infiltration, d. h. Wasser versiegt an der Bachsohle ins Grundwasser und der Bach verliert Wasser. Dies führt in extremen Fällen zur Austrocknung, zunächst an wenigen Stellen, dann sich ausbreitend, bis der
ganze Bach trocken ist. Der Landschaftswasserhaushalt hat sich quasi umgekehrt. Austrocknungsgefährdet sind vor allem Gewässer im Oberrheingraben wie z. B. der Otterbach und weitere Bäche, welche zum Rhein fließen.

Effektives Wassermanagement
IST dringend
nötig

Wenn der Bach stark durch Kläranlagenausläufe gespeist wird, kann dies auch zu Qualitätsproblemen im Grundwasser kommen, da Schad- und Nährstoffe mit nach unten genommen werden. Auch landwirtschaftliche Einträge und Schadstoffe wie Nitrat und Pestizide (Pflanzenschutzmittel) schlagen durch, wenn sie durch weniger Wasser verdünnt werden, es kommt zu Schad- und Nährstoffaufkonzentrierung. Gerade der Gemüseanbau in der Vorderpfalz verbraucht sehr viel Wasser (Rhein- und Grundwasser). Die veraltete Beregnung verschlingt Unmengen an Wasser, welches teils nicht mal den Pflanzen zugute kommt, da es zum großen Teil versickert oder verdunstet, v. a. tagsüber bei Hitze. Hier müssten dringend effektivere Methoden wie Tröpfchenbewässerung, gezielte Bewässerung im Wurzelbereich oder wenigstens eine zeitlich und räumlich angepasste Beregnung eingesetzt werden. Der Verbrauch muss kontrolliert und besser gesteuert werden, durch entsprechende Entgelte sind Anreize zur Umstellung der Methoden zu schaffen. Vorbild
ist Israel mit einer fortschrittlichen und sehr wasser-
sparenden Bewässerung in der Landwirtschaft. Dies
ist alleine schon deshalb wichtig, weil die zu bewässernden Flächen im zunehmendem Klimawandel immer ausgedehnter werden.

„Wir müssen es verstehen, im zunehmenden Klimawandel diese natürlichen Prozesse durch unseren richtigen Umgang mit ihnen zu erhalten und zu fördern, damit wir auch in Zukunft noch genug Wasser nutzen können. Wenn wir dies umsetzen, sollten wir uns auch nicht vor einer Wassernot fürchten müssen.“

Dr. Holger Schindler in der Element E2 / 2022


Die Resilienz
der Gewässer
stärken

Neben dem Wasserrückgang ist die zweitwichtigste Komponente die Temperaturerhöhung, welche in den Gewässern ankommt. Man weiß noch nicht genau, was dies für die Gewässerorganismen bedeutet, allerdings sind die Folgen bei Fischen bereits zu beobachten. In Hitzeperioden kommt es aufgrund schlechterer Sauerstoffversorgung im warmen Wasser zu Fischsterben, gerade in staugeregelten, großen Gewässern. Kraftwerke müssen dann in ihrer Wärmeeinleitung gedrosselt oder abgeschaltet werden (Rhein).

Kälteangepasste Arten geraten immer mehr in Bedrängnis. Bacharten wandern bereits die Gewässer hoch in die (noch) kühleren Oberläufe. Umso wichtiger ist es, Gewässer zu beschatten und zu renaturieren, damit sie resilienter gegenüber den Effekten des Klimawandels werden. Letztlich kühlen und befeuchten unsere Gewässer und Auen mit ihrer Bodenwasserspeicherfunktion auch unsere Landschaft und sorgen als Lebensadern mit seitlichem Feuchtegradienten für einen Biotopverbund, in dem viele Tiere und Pflanzen einen Lebensraum finden, von den Gewässerorganismen bis zu den Vögeln. Deswegen sind auch breite, naturnahe Auen so wichtig.

Die Wasserbewirtschaftung ist
von gestern

Insgesamt ist also von geringeren Wassermengen bis zu einer möglichen (Teil-)Austrocknung im Sommer unserer Gewässer in der Pfalz auszugehen. Dagegen ist die gesamte Bewirtschaftung der Landschaft und der Gewässer noch auf frühere Jahrzehnte mit ihrem relativen Wasserreichtum ausgerichtet. Man sieht es am Umgang mit Genehmigungen zur (vermehrten) Wasserentnahme, der Wassergewinnung, der Ausweisung von Wasserschutzgebieten, der landwirtschaftlichstofflichen Beeinträchtigung des Grundwassers inklusive landwirtschaftlicher Grundwasserentnahmen, der Ausrichtung der Kläranlagen inklusive der Kanalisation und der Entwässerung der Landschaft in Wald und Feld. Drainagen und Gräben findet man überall, welche die Landschaft schnellstmöglich von (zu viel) Wasser befreien sollen. Die früheren Entwässerungen, welche bei Starkregen zum Hochwasser unterhalb führt, müssen rückgebaut werden – heute ist der Wasserrückhalt in der Landschaft das Gebot der Stunde, auch durch Entsiegelungen. Nur so können wir die zunehmenden Dürrephasen besser überstehen. Die Devise muss sein, das Wasser in der Landschaft zu halten, wo es geht.

Die menschliche Nutzung durch Einfassung und Kanalisierung des Wassers sollte, wo möglich, zugunsten eines verbesserten Landschaftswasserhaushalts und der (Gewässer-)Ökologie zurückstehen. Nicht umsonst sind Gewässerläufe mit ihren vielfältigen Funktionen geschützte Biotope. Wir alle brauchen Wasser – ob für den direkten Gebrauch oder indirekt für unsere Ernährung oder unser Wohlbefinden. Felder, Wälder und Wiesen benötigen und speichern auf natürlichem Weg Wasser aus der Atmosphäre und geben es wieder ab. So entstehen Wolken nicht nur über dem Meer, sondern auch über Wäldern und werden weit auf das ansonsten trockene Festland hineingetragen. Von solchen Kreisläufen sind wir auf vielfältige Weise abhängig.

Wir müssen es verstehen, im zunehmenden Klimawandel diese natürlichen Prozesse durch unseren richtigen Umgang mit ihnen zu erhalten und zu fördern, damit wir auch in Zukunft noch genug Wasser nutzen können. Wenn wir dies umsetzen, sollten wir uns auch nicht vor einer Wassernot fürchten müssen.

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