Zwischen Poesie und Dreck-Weg-Tagen
Als Mitinitiator der pfälzischen Dreck-Weg-Wochen ist Yannick Scherthan in diesen Tagen schwer beschäftigt, denn bald ist es wieder soweit und tausende freiwillige Helfer:innen schwärmen aus und säubern unsere Heimat.
Außerdem ist Scherthan passionierter Fotograf, und als solcher verbringt er viel Zeit im Pfälzerwald.
Wir haben uns mit ihm über seine Liebe zur Region, zum Wald und über das leidige Thema Müll unterhalten.
Du hast gemeinsam mit Christian Karl einen Bildband veröffentlicht, in dem du besondere Orte der Pfalz vorstellst. Gibt es darin einen Ort, der für dich besonders kraftreich, energetisch oder intensiv ist?
YS Für mich ist die Pfalz selbst so ein Ort. Ich finde so viel Ruhe, Kraft und Inspiration an ganz verschiedenen Plätzen in der Pfalz, dass es mir schwer fällt, hier einen einzelnen Ort herauszupicken. Ein besonderer Seelenort für mich ist allerdings der Rehbergturm über Annweiler. Ich verbinde unzählige wundervolle Erinnerungen und Emotionen mit diesem Gemäuer, und einige meiner schönsten Werke entstanden von dort aus. Der Blick über den Wasgau und insbesondere das Trifelsland ist einzigartig.
Auf der Suche nach dem perfekten Bild verbringst du viel Zeit im Pfälzerwald. Welche Bedeutung hat der Wald für dich?
YS Der Pfälzerwald ist für mich Heimat. Ich verbringe so viele Stunden dort, dass ich die meisten der Wege wahrscheinlich blind gehen könnte. Aus diesem Grund bricht es mir auch das Herz, wenn ich sehe, wie dort achtlos Müll entsorgt wird oder illegale Feuerstellen das Wurzelwerk alter Wetterkiefern beschädigen.
Die Pfalz ist deine Heimat. Was ist es, das dich mit deiner Heimat verbindet?
YS Eine schöne Wanderung im Pfälzerwald mit geselliger Einkehr in eine Pfälzerwald-Hütte, der Besuch in einem traditionellen Weingut mit einem guten Tropfen und Saumagen sowie die unzähligen Weinfeste mit all den lebensfrohen Pfälzerinnen und Pfälzern. Diese Vielfalt macht für mich unsere Region so einzigartig.
„Zusammen können wir dafür sorgen, dass unser Pfälzerwald auch unseren Kindern und Enkelkindern die gleiche Freude bereitet, wie heute uns. Die Pfalz lebt!“
YANNICK SCHERTHAN IN DER ELEMENT SOMMERAUSGABE E2 / 2022
Wie fand die Bildauswahl für das Buch statt? Aus wie vielen Bildern musstest du die „richtigen“ herauspicken?
YS Zuerst einmal haben wir die Pfalz in zehn Regionen eingeteilt. Dies fiel uns gar nicht so leicht, da an vielen Stellen die Übergänge doch eher fließend sind. Wir haben Wert darauf gelegt, dass auch wirklich alle Regionen in unserer schönen Heimat im Buch Platz finden. Die beiden größten Kapitel bilden das Dahner Felsenland sowie das Trifelsland ab, da ich hier lebe und am häufigsten unterwegs bin. Bei meiner Arbeit für das Buch habe ich aber auch viele neue Orte kennen und lieben gelernt, z. B. den kleinen Ort Falkenstein im Donnersberger Land. So haben wir aus allen Regionen die schönsten Motive ins Buch gebracht.
Was möchtest du mit deinen Bildern beim Betrachter erzeugen? Worum geht es dir bei der Fotografie?
YS Jeder Moment ihn der Natur ist einzigartig. Die Eindrücke sind flüchtig wie Sand der durch die Finger rinnt und doch unglaublich einnehmend zu gleich. Mit meiner Fotografie schaffe ich es, diese Momente für mich und meine Mitmenschen, aber auch für meine Nachkommen zu konservieren, visualisierbar zu machen. Wenn dann beim Betrachter das Gefühl von Erhabenheit und Glück entsteht, so wie ich es bei der Aufnahme erlebt habe, dann ist für mich das Ziel erreicht. Du bist Mitinitiator des Dreck-weg-Tages.
Was war der Auslöser, dich hierfür zu engagieren?
YS Die Corona-Pandemie hat viele Menschen von der Couch in den Wald gelockt. Leider waren unter diesen neuen Besuchern auch viele, die mit den Spielregeln noch nicht ganz vertraut waren. So nahmen leider auch die Müllberge immer mehr zu. Bei einem Treffen mit Michael Leschnig, dem Leiter des Hauses der Nachhaltigkeit in Trippstadt, fiel
dann unser Gespräch auf eben dieses Problem, da auch er diesen Missstand bemerkt hatte. Nach einem kurzen aber intensiven Austausch war die Idee des Dreck-weg-Tages im Pfälzerwald geboren. Wir arbeiten hart an der Umsetzung und waren beide überwältigt vom Engagement der tausenten Mitwirkenden.
Der Dreck-weg-Tag findet auch in diesem Jahr wieder statt, wann geht es los?
YS Wir haben den Tag an den World Cleanup Day angegliedert. Dieser ist dieses Jahr am 17. September.
Wo können sich engagierte Mithelfer:innen melden?
YS Bei unserer Initiative kann jeder mit Handschuhen und Mülltüte bewaffnet seinen ganz persönlichen Lieblingsort oder seine Lieblingswanderroute von Müll befreien. Es braucht keine Voranmeldung. Selbstverständlich kann man sich
auch einer der zahlreichen Gruppen anschließen, die jedes Jahr losziehen. Auf der Webseite des Haus der Nachhaltigkeit (www.wald.rlp.de) findet man dazu nähere Informationen.
Du bist viel draußen unterwegs, bist du selbst auch Müll-Picker?
YS Selbstverständlich habe auch ich immer Handschuhe und eine Mülltüte dabei. Ich versuche immer, die Orte, welche ich besuche, etwas sauberer zu hinterlassen als ich sie vorgefunden habe. Die Natur gibt mir so viel, ich sehe es als meine Pflicht, ihr auch etwas zurückzugeben.
Die Pfalz habt ihr in eurem Buch auch textlich eingefangen, was sind eure Quellen für Geschichten, Mythen, Legenden und Sagen?
YS Ich habe Christian Karl ganz bewusst für den Text unseres Buches ausgewählt, weil er für mich der perfekte Autor dafür ist. Er bloggt selbst seit Jahren in seinem Format „100% Pfalz“ (100prozentpfalz.de) über unsere Region und kennt die Pfalz wie seine Westentasche. Er ist Pfälzer durch und durch, und dies spiegelt sich auch in seiner locker leichten und humorvollen Art zu schreiben wider. Die Inhalte hat er aus ganz vielen verschiedenen Quellen zusammengetragen und auf seine ganz eigene Art dem Zeitgeist entsprechend wiedergegeben. Eine detaillierte Quellenangabe findet sich
allerdings auch im Buch wieder.
Gibt es in der Pfalz alte Bräuche und Traditionen, denen ihr bei der Recherche für das Buch begegnet seid, die es heute noch gibt?
YS Ganz viele der alten Traditionen und Bräuche haben es in die Gegenwart geschafft. So sind viele der Dorffeste z. B. an frühere Zeiten angelehnt. Für mich gibt es kaum einen Ort in Deutschland, wo Tradition und Moderne, Geschichte und Gegenwart so miteinander verschmolzen sind. Ganz nach meinem Leitspruch „Die Pfalz lebt!“ – und mit ihr
lebt der Mythos Pfalz.