50 Jahre nach dem aufsehenerregenden Buch „Die Grenzen des Wachstums“ erschien im Jahr 2022 der neue Bericht des Club of Rome „Earth for All“. Der Bericht zeigt eindrucksvoll die planetarischen Grenzen auf und fordert fünf außergewöhnliche Kehrtwenden in Bezug
auf Armut, Ungleichheit, Gleichberechtigung, Nahrungsmittel und Energie.
Er schlägt vor, unser Wirtschaftssystem neu zu denken, damit ein hoher Lebensstandard innerhalb der Grenzen des Planeten für alle Menschen möglich sein kann.
Von Hermann Lex und Dr. Rolf Linn,
Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe Trier
Aufgrund unseres Wirtschaftens ist bei
mindestens fünf der neun planetarischen Grenzen der sichere Bereich bereits überschritten.
Warum führt unser Wirtschaftssystem zu solch katastrophalen Ergebnissen?
Wir sehen als Hauptursache, dass die Vermehrung von Geld oberste Priorität hat. Nun behauptet die traditionelle Wirtschaftswissenschaft, dass gerade dies bestmöglich zum Gemeinwohl führe. Jedoch kommen Zweifel, wenn man die Ergebnisse zur Kenntnis nimmt: Zerstörung der Natur, extrem ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen, Hunger in der Welt usw. Woher kommt diese Fehleinschätzung? Obwohl angeblich wertfrei, steckt in der Geldmaximierung das Ziel „mehr ist besser“. Auch das zugrunde liegende Menschenbild des Homo Ökonomicus, dass nämlich Menschen im Wesentlichen egoistisch und rational handeln, entspricht nicht der Realität.
Wir können unser Wirtschaftssystem verbessern.
Wie könnte es aussehen?
Die Grundidee der Gemeinwohl-Ökonomie ist ganz einfach: Wir müssen unser Wirtschaftssystem vom Kopf auf die Füße stellen. Oberste Priorität soll nicht mehr die Vermehrung von Geld, sondern die Förderung des Gemeinwohls sein. Unter Gemeinwohl verstehen wir ein gutes Leben für alle:
- Erfüllung der Grundbedürfnisse
- gute Beziehungen zu anderen Menschen
- lebenswerte Umwelt in der einen Welt
- Soziale Gerechtigkeit
Akzeptanz und Achtung der Menschenwürde.
Geld soll nur Mittel zum Zweck der Förderung des Gemeinwohls sein.
Was aber ist unter der Gemeinwohl-Ökonomie zu verstehen? Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein alternativer Ansatz für unser Wirtschaftssystem, der auf gemeinwohl-fördernden Werten aufbaut. Sie ist ein Hebel zur Veränderung auf wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene, indem sie den Menschen in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns stellt. Sie ist eine Brücke von Altem zu Neuem.
Wie aber kann dies konkret erfolgen?
Die Gemeinwohl-Bilanz bietet reelle Möglichkeiten.
Die Gemeinwohl-Ökonomie hat zur Unterstützung von Unternehmen und Organisationen auf dem Prozess der Transformation ein Instrument bereitgestellt: Die Gemeinwohl-Bilanz. Die Gemeinwohl-Bilanz ist das Herzstück der Gemeinwohl-Ökonomie. Sie dient sowohl als Spiegel des aktuellen Wirtschaftens als auch als Kompass für die Ausrichtung eines Unternehmens in die Zukunft. Unternehmen können mit dem umfassenden Instrument der Matrix und dem eigenen ganzheitlichen Bericht die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erfassen. Die Gemeinwohl-Bilanz dokumentiert anhand der Matrix die Stärken Ihres Unternehmens und zeigt nächste Ziele mit allen Berührungsgruppen/Stakeholder:innen auf dem Weg zum Gemeinwohl auf.
Durch ein Audit können sie ihr werteorientiertes wirtschaftliches Verhalten glaubwürdig als Beitrag zum Gemeinwohl öffentlich bestätigen.
Die Bilanz und die Matrix beruhen auf den universellen Werten der Menschenwürde, der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit, der Nachhaltigkeit, der Mitbestimmung und der Transparenz.
Der systemische Ansatz der Gemeinwohl-Bilanzierung schafft eine 360-Grad-Perspektive und ist ein Kompass auf dem Weg, die Wirtschaft nachhaltig auszurichten. Ihre Wirkung und Bedeutung gehen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, um auch in Zukunft höchst-
mögliche Standards zu gewährleisten.
Der Gemeinwohl-Bericht und das Testat ergeben zusammen die Gemeinwohl-Bilanz. Maximal können 1 000 Gemeinwohl-Punkte erreicht werden. Alle Organisationen, die mehr als 300 Punkte erreicht haben, gelten als vorbildlich.