Das Moor im Billigheimer Bruch

Ein Moor in Billigheim? Wo bitteschön soll sich in dieser Gemarkung
ein solches Feuchtgebiet erstrecken? Wo man vielleicht nachts im Nebel
bis zum Bauch einsinken kann? Bilder schweben uns vor vom oberschwäbischen Federsee, vom Murnauer Moos oder von norddeutschen Moorlandschaften. Wattvögel auf weiten Wiesenflächen rufen melodisch. Ketten von Enten kreisen über stehendem dunklen Wasser zwischen den Binsen.

von Dr. Stefan Hey
NVS Billigheim-Ingenheim


In unserem Bericht über das Billigheimer Feuchtgebiet, dem Gemeindeeigentum von 54 Hektar Größe, an der Grenze zu Winden und Hergersweiler, beginnen wir mit der Entstehung. Heute stellt sich das Billigheimer Bruch als kultiviertes, landwirtschaftlich genutztes Areal dar. Wenn dort in der Bodenkarte von Rheinland-Pfalz aber noch Flächen mit Moorboden eingezeichnet sind, wenn bei der Untersuchung des Bodenprofils noch Torf im Bohrstock steckt, dann stellt man sich schon die Frage, ob hier eine spannende Entwicklungsgeschichte zurückverfolgt werden kann.

In den langen Jahrtausenden während und nach der letzten Eiszeit führten die Haardtrandbäche sehr viel Material von den Bergen herunter. Hier unten in der Vorhügelzone konnte sich eine Niederung mit einem Becken und schließlich mit einem See ausbilden. In weiteren Jahrtausenden der Warmzeit setzten Verlandungsprozesse ein mit der Bildung eines Niedermoors. Die Reste von Schilf und Riedgräsern wurden unter Wasser, also unter Sauerstoffabschluss, nicht zersetzt und festigten sich zu Torf, meterweise sogar, bis
Menschen mit der Entwässerung begannen. Die Überreste von Pfahlbauten und Steinwerkzeugen in den unteren Schichten belegen auch die Existenz
der offenen Wasserflächen vor drei- bis sechstausend Jahren. Als Naturfreunde stellen wir uns spaßeshalber einmal vor, wie damals ein überquellendes Tierleben von Fischen und Fröschen, von Libellen, Reihern, Enten, Schnepfen die Wohnumgebung und das Jagdrevier der Siedler am See bereicherte. Je weiter im Lauf der Zeit die Verlandung voranschritt, umso besser konnten spätere Siedler auch gerodete Randflächen für ihr Vieh nutzen. Gleichzeitig erschienen neue Pflanzenarten auf den Wiesen, zusätzlich mit angepassten Schmetterlingen und Vögeln des entstandenen Offenlands. Die Bäche, die in diese Niederung einmündeten, müssten die heute bekannten Gewässer Erlenbach, Horbach und Steinfelsbach gewesen sein. Ihr Lauf innerhalb des Beckens könnte sich immer wieder verlagert haben. Die seitlich ansteigenden Lössriedel mit ihrem Druckwasser sorgten außerdem für einen hohen Grundwasserstand und die Überflutung im Schilfwald der zentralen Senke.

Bei den heutigen Problemen mit dem klimaschädlichen Kohlendioxid muss erklärt werden, dass die vom Wasser bedeckten Pflanzenreste, das Torfmaterial, einen hohen Gehalt an Kohlenstoff hatten. Mit einer Entwässerung dringt aber aus der Luft Sauerstoff ein und oxidiert diesen gebundenen Kohlenstoff zu
schädlichem „Klimagas“.

Historische Torfgewinnung und Urbarmachung des Billigheimer Bruches Die Billigheimer waren für ihre Torfstecherei im Billigheimer Bruch bekannt, weshalb man ihnen auch den wenig schmeichelhaften Spitznamen der „Torfhengste“ verlieh. Wie kam es hier zu dem großen Vorkommen von Torf, dessen verräterischer Geruch beim Verheizen in den Kleidern der Billigheimer stecken blieb? Das Bruch entstand aus einem nacheiszeitlichen See, der durch eiszeitliche Sand- und Kiesablagerungen der Bäche geformt wurde und sich durch Verlandung nach und nach in eine Jahrtausende alte Moorlandschaft verwandelte. So konnte sich eine mehrere Meter dicke Torfschicht auftürmen. Im Jahr 1786 übertrug Karl Theodor, Kurfürst der Pfalz und Bayern, das 170 Hektar große Gelände der Torfbrüche (angesichts der heutigen Ausdehnung des Bruchs
erscheint diese Zahl sehr groß) den Bürgern von Billigheim als Allmende, wie Eduard von Moor in seinem 1867 erschienenen „Beitrag zur Geschichte der Pfalz“ zu berichten weiß. Mit durchgeweichten Schuhen und nassen Füßen widmeten sich die Billigheimer alsbald mit großem Eifer der schweißtreibenden Torfstecherei. Daher ergänzt von Moor, dass die Bürger nach der Entdeckung seiner großen Nützlichkeit so verschwenderisch mit dem neuen Feuerungsmaterial umgingen, dass diese Ressource im 19. Jahrhundert bald erschöpft schien. Parallel wurden Teile des Bruchs als nasse Mähwiesen, aufgrund des geringeren Futterwertes der Wiesen dieses alten Niedermoores aber auch als reine Streuwiesen genutzt. Die nassen Senken der Torfgewinnung und die feuchten Wiesen mussten ein einzigartiges Paradies für Wiesen- und Feuchtgebietsvogelarten dargestellt haben. Man kann sich ausmalen, wie in dieser völlig offenen Landschaft Bekassinen auf ihrer Suche nach Nahrung elegant schreitend mit ihren langen Schnäbeln das flachgründige Wasser durchstöberten und ihre gesprenkelten Eier in Bodenmulden im feuchten Gras ablegten.


Planloser Einzelstecherei das Handwerk legen 

Unterdessen sollte dem wilden, zügellosen und unkoordinierten Torfabbau das Handwerk gelegt werden. So sah es zumindest das „Königlich bayerische Amts- und Intelligenzblatt“ von 1843 vor, das die „planlosen Einzelstechereien…für den vollkommenen und  weckmäßigen Abstich“ als nachteilig anprangerte. Hier wurde vorgeschlagen, die Torflager strategisch geplant gründlich zu entwässern, um auch die tiefer liegenden, wertvolleren Torfreste vollständig ausbeuten zu können. Mit Blick auf eine spätere, als lukrativer angesehene landwirtschaftliche Nutzung sah man hier die Rechtfertigung für eine vollkommene Ausbeutung und Trockenlegung.

Kanalisierte Flutgraben beeinträchtigen
den Grundwasserstand

Der Torfabbau trat mit der Zeit in den Hintergrund und die landwirtschaftliche Nutzung rückte in den Fokus. In den 1930er Jahren wurde das noch bestehende Feuchtgebiet vom nationalsozialistischen Reichsarbeitsdienst drainiert und zu seiner heutigen Form umgestaltet. Schwer zu bewirtschaftende, feuchte Äcker und Mähwiesen konnten gewonnen werden. Mehrere Abzugsgräben verlaufen seitdem parallel mitten durch das Gebiet, das heranfließende Wasser von Horbach und Erlenbach wird in den Flutgraben und somit am ehemaligen Feuchtgebiet vorbeigeleitet. Stauwehre wurden errichtet, um den Wasserhaushalt gezielt steuern zu können. So wurde der Versuch unternommen, auch den südlichen, deutlich nasseren Teil des Tals am Erlenbach nutzbar zu machen. Umgekehrt dienten die Wehre aber auch der Bewässerung der Wiesen im August, um den Ertrag der zweiten Heuernte zu verbessern. Heute werden die Gräben im Bruch nur noch zur Entwässerung genutzt. Durch die große Menge an Wasser, die ganzjährig mit hoher Geschwindigkeit durch den kanalisierten Flutgraben geleitet wird, hat sich dieser im Lauf der Zeit immer tiefer eingeschnitten. Dieser Prozess senkt den Grundwasserstand in seiner Umgebung ab. Allerdings sind stellenweise auch schon ansetzende Mäander zu erkennen, wodurch sich der Prozess langfristig abschwächen wird, sofern keine Eingriffe erfolgen. Eine Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit im Flutgraben könnte große positive Auswirkungen auf die Neubildung von Grundwasser, die Hochwasser-Rückhaltekapazität und die Artenvielfalt des Gebiets haben.


Chancen nutzen und nachhaltige Oasen schaffen

Trotz der massiven Eingriffe in den Wasserhaushalt des ehemaligen Torfmoors bewahrte sich das Gebiet überwiegend seinen reizvollen Landschaftscharakter und seine Bedeutung für die Vogelwelt der Feuchtgebiete. Wenn heute der Naturschutzverband Südpfalz und seine NVS Naturstiftung Südpfalz als Pächterin für die nächsten 30 Jahre die Verantwortung für das ökologische Potenzial dieses ehemaligen Moors übernehmen, dann soll für den gesamten Naturhaushalt und für die spezialisierte Tierwelt der Feuchtgebiete eine kleine Oase in den sehr nachteilig veränderten oder verschwundenen Lebensräumen ringsum erhalten und weiterentwickelt werden.

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