Element Magazin - Manuel Mosis ist Schäfer aus Leidenschaft.

Das Herz schlägt für die Herde – Interview mit dem Schäfer Manuel Mosis.

Oft bekommt Manuel Mosis die Frage gestellt, warum er seine komplette Freizeit für die Schafherde opfert. Dann schaut er auf seine Herde, wie sie in einem Biotop oder unter Streuobstwiesen friedlich grast, umzingelt von Vögeln und Insekten. Das ist ihm Antwort genug. In seinen Vorträgen „Landschaftspflege mit Biss“ dokumentiert er die Schaffung essenzieller Lebensräume und sorgt dafür häufig für Aha-Effekte bei der Teilnehmerschaft.

Lieber Manuel, wie bist du zur Schäferei gekommen und Schäfer geworden?

MM Von Kindesbeinen an bin ich in der elterlichen Nebenerwerbs-Landwirtschaft aufgewachsen. Meine Eltern hatten, wie das vor 30 Jahren eben noch üblicher war, ein paar Milchkühe, Mastbullen, Kälberaufzucht, Schweine, Hühner, Gänse, Puten und natürlich auch Schafe.

Was macht für dich den Reiz bei der Arbeit mit den Tieren aus?

MM Für die Ruhe, die ich beim Arbeiten mit den Tieren empfinde, bin ich sehr dankbar. Und natürlich das Draußensein. Die Tiere geben mir unwahrscheinlich viel zurück, ohne dafür etwas zu fordern. Auch ihre Kommunikation untereinander oder mit mir faszinieren mich immer wieder aufs Neue.

Das musst du uns bitte genauer erklären.

MM Auch wenn es etwas verrückt klingt: es ist meine Fähigkeit, mit Tieren zu kommunizieren, ohne ein Wort sprechen zu müssen. Oft habe ich Gedankengänge, wie Tiere „ticken“ oder was sie vorhaben. Wenn man die Schafe „lesen“ kann und den Hund dementsprechend führt oder begleitet, das ist enorm viel wert. Denn hat man sich erst einmal eine gute gemeinsame Vertrauensbasis aufgebaut, so kann man sehr viel erreichen.

Wo überwinterst du die Herde und wo bist du im Sommer unterwegs?

MM Die Tiere halte ich bei ganzjähriger Weidehaltung draußen im Freien. Denn nur diese Haltung ist in meinen Augen artgerecht. Sie möchten auch gar nicht im Stall sein. Und wenn wir auf unseren eigenen Flächen mit dem Stall sind, haben sie immer freien Zugang. Trotzdem stehen sie bei strömenden Regen, Schneefall oder sogar im Sommer in der Sonne draußen auf der Wiese. Das heißt, über Winter sind wir meist auf Grünflächen von Landwirten zur Herbst-/Winterbeweidung und im Sommer auf heimischen Weiden und Streuobstwiesen.

Ist es schwierig, Weideflächen zu finden?

MM Ja, das Thema Weideflächen ist gerade bei uns ein großes Thema. Denn es ist so gut wie nichts zu bekommen, was eine ausreichende Größe hat oder mit wenig Umstand zu erreichen ist. Und das, obwohl die landwirtschaftlichen Flächen immer größer werden. Gerade in der Winterbeweidung, Zwischenfruchtbeweidung oder die Beweidung statt Mulchen, wäre für viele Schäfer eine willkommene Sache. Früher war es gang und gäbe, dass der ortsansässige Schäfer oder der Wanderschäfer auf der Durchreise solche Arbeiten übernommen hat.

Hast du feste Routen oder lässt du die Tiere auf festen Weiden grasen?

MM Gefühlt bin ich immer unterwegs, denn nach meiner Haupttätigkeit geht’s Zuhause bei den Tieren weiter. Ich hab oft mehrere Herden an unterschiedlichen Standorten laufen, da wir zum Beispiel auch eine reine Bockherde führen. Da wir leider selten ausreichend große Flächen zur Verfügung haben, wird fast wöchentlich eine Herde umgestellt. Da es immer wiederkehrende Flächen sind, macht man sich am Jahresanfang immer schon Gedanken, wo man mit der Beweidung beginnt und wie wir über das Jahr dann weiterziehen. Lediglich im Herbst oder Winter haben wir den Luxus, viele zusammenhängende Flächen zu Beweiden.

 
Element Magazin - Schäfer und Schafherde

Welchen Stellenwert stellt für dich die Landschaftspflege dar?

MM Für mich hat die Landschaftspflege einen sehr großen Stellenwert, denn ohne Landschaftspflege mit Schafen stirbt unsere gewohnte Kulturlandschaft. Gerade durch die Beweidung mit Schafen gewinnen wir Kulturlandschaft zurück. Die Artenvielfalt von Blumen, Kräutern, Insekten, Vögeln oder generell Bodenbrütern erweitert sich enorm. Durch die Wolle der Schafe werden viele Samen von A nach B transportiert. Man sagt dazu auch gern „Samen-Taxi“. Für mich ist es ein absolut tolles Erlebnis, wenn sich von Jahr zu Jahr Wiesenflächen zunehmend verändern. Wir bieten und erstellen weitere Lebensräume für weitere Lebewesen.

Was machst du mit der gewonnenen Wolle?

MM Da Wolle leider lieber billig aus dem Ausland bezogen wird, bleiben regionale Schäfer auf ihrem wertvollen Naturprodukt sitzen. Teilweise muss es sogar kostenpflichtig entsorgt werden. Unsere Wolle wird für den Garten als Rohwolle angeboten und zusätzlich als Düngepellets weiterverarbeitet. Damit versuchen wir, wenigstens im Garten und in der Pflanzenwelt, den tollen Rohstoff wieder interessant zu machen und damit zumindest die Kosten einer Schur etwas zu minimieren.

Wie ist Familie oder Freizeit und die Schäferei vereinbaren?

MM Es ist schon sehr schwierig. Denn wer möchte denn schon freiwillig seine Freizeit nutzen, um seine Zeit bei den Tieren zu verbringen. Meistens handelt es sich ja auch um körperlich schwere Arbeiten, bei Wind und Wetter oder auch bei den Lammungen oftmals zu jeder Tages- und Nachtzeit. Hier braucht man eine Partnerin an der Seite, die mit Herzblut hinter der Sache steht und vor Tierliebe strotzt. Denn auch geplante Freizeit oder Festlichkeiten müssen unter Umständen kurzfristig unterbrochen oder abgesagt werden.

Welchen Wunsch hast du für deine Tierhaltung und Arbeit als Schäfer?

MM Ich wünsche mir mehr Anerkennung und Wertschätzung für unsere Arbeit in und für die Landschaftspflege. Wir leisten einen wichtigen Beitrag für die Natur. Ein weiterer Wunsch ist die Beweidung von Flächen für Solaranlagen. Denn die Anlagen sind in den meisten Fällen gut erreichbar, bereits eingezäunt und die Tiere stehen durch die Module immer witterungsgeschützt.

Vielen Dank Manuel.

Fotos: Manuel Mosis

  Das Interview finden Sie auch im Sommerheft #EM06.
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