Streuobst-Vielfalt in der Pfalz – eine Erfolgsgeschichte

Streuobstwiesen können neben ihrer hohen Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen auch eine hohe Vielfalt an Obstsorten ausweisen! Zu verdanken ist dies Pomologen und Baumschulen, die sich vor gut 30 Jahren beginnend um den Erhalt alter Sorten kümmerten.

Von Rainer Rausch, Obstkenner und Mitglied im Pomologenverein


Streuobstwiesen können neben ihrer hohen Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen auch eine hohe Vielfalt an Obstsorten ausweisen! Zu verdanken ist dies Pomologen und Baumschulen, die sich vor gut 30 Jahren beginnend um den Erhalt alter Sorten kümmerten. Hierzulande war es der 1997 in Neustadt/Weinstraße gegründete „Arbeitskreis Historische Obstsorten der Pfalz“, dessen Mitglieder von überall aus der Pfalz kamen. Schon bald traten drei Obstfachleute aus dem Nordelsass dem Arbeitskreis bei, brachten ihre langjährige Expertise und Erfahrung ein.

Ein in allen Lokalausgaben der RHEINPFALZ veröffentlichter Leser-Aufruf brachte 1998 zahlreiche alte, zum Teil als ausgestorben angesehene Obstsorten wieder ans Tageslicht. So konnte der erstmals 1539 und zuletzt in den 1930er Jahren für unsere Region literarisch erwähnte „Heimeldinger“ am Ortsrand in Impflingen (Kreis Südliche Weinstraße) mit einem einzigen verbliebenen Baum ausfindig gemacht werden. Der Veteran war damals schon stolze 102 Jahre alt!
Von dem Exemplar, das zwei Jahre später wegen eines Sturmschadens im Winter 2000/2001 und starken Pilzbefalls einging, konnten noch Edelreiser zur Weitervermehrung genommen und die verschollen geglaubte Sorte somit erhalten werden. Im 18. und 19. Jahrhundert war der „Heimeldinger“ noch eine der häufigsten Apfelsorten am Haardtgebirge und in der Vorderpfalz.

Ein weiterer Schatz, der dank des Aufrufs wieder auftauchte, war der „Scheiberling“ in Wernersberg (Kreis Südliche Weinstraße). Die Mostbirne wurde 1588/91 in dem „New vollkommen Kräuterbuch“ des aus Bad Bergzabern stammenden Arztes, Theologen und Botanikers Jakob Theodor Tabernaemontanus beschrieben. Auch später tauchten bei Exkursionen immer wieder mal seltene Sorten auf. Bei einer Streuobstwiesen-Begehung bei Wernersberg im Jahr 1999 wurde das dritte pfälzische Exemplar des „Trockenen Martin“ aufgefunden. Ein markanter Baum dieser Birne steht in Neustadt hinter dem Rathaus im ehemaligen Pfarrgarten von St. Marien. Die bereits 1530 für Frankreich erwähnte Sorte wird in Südfrankreich (hier „Martin sec“) und in Norditalien („Martin secco“) in Restaurants gerne zum Kochen verwendet. Die Preise für diese dort hochgeschätzte Sorte betragen das zwei- bis dreifache gegenüber Tafelbirnensorten wie zum Beispiel „Williams Christ“. 

Im Jahr 2000 konnte auf der Sickinger Höhe und im Landstuhler Bruch mit dem „Herrgottsapfel“ das westpfälzische Pendant zum „Heimeldinger“ aufgefunden werden. Schließlich tauchte er auch 1539 im „Kreutterbuch“ des pfälzischen Arztes, Theologen und Botanikers Hieronymus Bock auf. Noch in den 1930er Jahren wurde er auf dem Wochenmarkt in Kaiserslautern mit den Worten „Ehr Leit, es gebt werrer Herrgottsäbbel“ angepriesen. Vor drei Jahren hat der Verfasser mit Jörg Hagenbuch (Bad Bergzabern) vom Verein „Leben und Natur in der Südpfalz“ (LuNa) eine Exkursion rund um Bad Bergzabern zur Bestimmung von Obstsorten mit Schwerpunkt Birnen gemacht. Dabei konnte die um 1800 in Belgien entstandene Tafelbirne „Köstliche aus Charneux“ am Ortsrand von Bad Bergzabern, am Deutschhof und am Kaplaneihof gleich mit mehreren Exemplaren aufgefunden werden.
Rätsel gab zunächst eine Mostbirne innerorts in Oberotterbach auf. Erst der schwäbische Mostbirnenexperte Dr. Walter Hartmann konnte weiterhelfen: Bei der Sorte handelte sich um die „Prevorster Bratbirne“ - ein Erstfund für die Pfalz! Vereinsmitglieder von LuNa haben auf Empfehlung des Autors die Früchte geerntet, um daraus einen Birnenbrand herzustellen. Das LuNa-Destillat wurde mit der „Goldenen Kammerpreismünze“ der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Dank der Arbeit des Arbeitskreises, der inzwischen in der Landesgruppe Rheinland-Pfalz des Pomologen-Vereins Deutschland aufgegangen ist, und beteiligter Baumschulen konnten zahlreiche Obstsorten erhalten werden und auch wieder ihren Weg in die Landschaft finden. So wurde auf einer Streuobstwiese bei Rhodt unter Rietburg von der dortigen Streuobstinitiative vergangenen Herbst wieder der „Heimeldinger“ angesiedelt.


Heimeldinger, Foto: Rainer Rausch


Daneben sind es Kommunen und Naturschutzverbände, die Sorten aus der Region, wozu auch der „Wiesenbacher Gänsgartenapfel“ und die Birne „Späte Graue“ aus der Kurpfalz zählen, bei Streuobstwiesen-Neuanlagen mitberücksichtigen. Aber auch Einzelpersonen sind aktiv: Obstbaumwart Ewald Marschall aus Schallodenbach (Kreis Kaiserslautern) hegt und pflegt aktuell 160 Apfel- und 65 Birnensorten auf Obstwiesen. Sofern sie nicht zum Frischverzehr verwendet werden, fließen Äpfel und Birnen von Streuobstwiesen in naturnahe Säfte oder Schorlegetränke ein. Solche Direktsäfte können jedes Jahr unterschiedlich schmecken, tragen doch manche der alten Sorten nur alle zwei Jahre Früchte. Die süß-säuerlichen „Heimeldinger“ und „Herrgottsäpfel“, der säurebetonte „Rote Boskoop“, der „Gelbe Bellefleur“, dessen Äpfel nach Bananen schmecken oder die „Adams Parmäne“ mit zimtartigen Geschmack: Je mehr Sorten auf einer Obstwiese stehen, desto mehr Geschmacksvielfalt herrscht auch im Saft! 

Kontakt:
Luna Südpfalz

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