Die geplante Pestizidverordnung der EU –  Konkrete Flächenberechnungen für Rheinland-Pfalz.

Die geplante Pestizidverordnung der EU – Konkrete Flächenberechnungen für Rheinland-Pfalz.

Mit einer neuen Verordnung möchte die EU-Kommission die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft neu regeln. Der Entwurf sieht unter anderem ein Pestizidverbot für Agrarflächen vor, die in Schutzgebieten liegen. Genaue Zahlen, auf wie viel Fläche dies in Rheinland-Pfalz zutreffen würde, fehlen bisher.

Dr. Carsten Brühl von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) in Landau und Lisa Eichler vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) haben die betroffenen Flächenanteile errechnet.

Der Beitrag ist in der Element Ausgabe #EM06 erschienen.

EU-Verordnung für den Erhalt biologischer Vielfalt.

Im Juni 2022 hat die Europäische Kommission den Entwurf einer Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation/SUR) veröffentlicht. Die geplante Verordnung soll dazu beitragen, die Ziele der „Farm-to-Fork“-/„Vom-Hof-auf-den-Tisch“-Strategie der EU-Kommission zu erreichen. Dazu gehört auch, weniger Pestizide auszubringen, um das Risiko von Umweltschäden zu vermindern und die biologische Vielfalt zu erhalten. Die geplante Verordnung zielt bis 2030 darauf ab, den Einsatz von Pestiziden in der gesamten Agrarfläche zu halbieren, die Fläche für Ökolandbau in Deutschland auf 30 Prozent zu vergrößern und den Einsatz von Pestiziden in sensiblen Gebieten zu verbieten. Zu den sensiblen Gebieten gehören neben städtischen, auch ökologisch empfindliche Gebiete. Hierzu zählen folgende Schutzgebiete: jedes Schutzgebiet nach Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) (Richtlinie 2000/60/EG), die dem europäischen Verzeichnis der national ausgewiesenen Schutzgebiete (CDDA) gemeldeten Schutzgebiete (Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, Nationalparks und Nationale Naturmonumente), die im Rahmen von Natura 2000 ausgewiesenen Gebiete (Richtlinie 92/43/EWG), zudem Gebiete zum besonderen Schutz von stark gefährdeten Bestäuberarten, deren Gebietskulisse jedoch noch nicht definiert ist.


Die Bestimmung schützenswerter Flächen.

Für die Bestimmung der von der Sustainable Use Regulation (SUR) betroffenen Flächenkulisse für Ackerflächen sowie Wein- und Obstbau wurden die einzelnen Schutzgebietskategorien aus einer breiten Basis an Geodaten und Informationen aus verschiedenen Datenbanken extrahiert. Jede mögliche Kombination von Schutzgebieten und Acker- bzw. Obst- und Weinbauflächen wurde codiert und deren Fläche (in km²) sowie deren Anteil (in Prozent) berechnet. Schutzgebietskategorien können sich dabei überlagern: Eine Ackerfläche kann zum Beispiel sowohl in einem Landschafts- als auch in einem Wasserschutzgebiet liegen. Daher wurde bei der Berechnung für jede Agrarfläche bestimmt, in welchen und in wie vielen Schutzgebieten diese liegt.

In Deutschland werden 123 278 km² der Landesfläche für Ackerbau von  Getreide, Mais, Raps und Gemüse genutzt, und auf 1 908 km² bestehen Dauerkulturen von Obst- und Weinbau. Für Deutschland wären 30,8 Prozent (38 018 km²) der Ackerbaufläche und 36,5 Prozent (696 km²) der Obst- und Weinbaufläche von der SUR betroffen, denn diese Flächen liegen in den genannten sensiblen Gebieten. In Rheinland-Pfalz findet sich 4 303 km² Ackerbaufläche, davon wären 26,8 Prozent von der SUR betroffen. Nach einzelnen Schutzgebietstypen getrennt sind 20,7 Prozent der Ackerfläche als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen, 3,4 Prozent als europäische Vogelschutzgebiete (oder special protection areas), 1,3 Prozent entfallen auf Europäische Fauna Flora Habitat (FFH) Gebiete (oder special area of conservation) und Naturschutzgebiete liegen in 0,4 Prozent der Ackerbauflächen. Bei den Wasserschutzgebieten sind 4,9 Prozent der Ackerbaufläche in Rheinland-Pfalz als Trinkwasserschutzgebiet ausgewiesen und 0,3 Prozent als Heilquellenschutzgebiet. Rheinland-Pfalz weist mit 809 km² die größte Obst- und Weinbaufläche Deutschlands auf. Im Obst- und Weinbau wären bezüglich der sensiblen Gebiete 36,1 Prozent von der SUR betroffen. Aufgetrennt nach Schutzgebietstypen befinden sich 28,8 Prozent in Landschafts- und 6,1 Prozent in Vogelschutzgebieten. Die FFH Gebieten finden sich auf 0,6 Prozent der Obst- und Weinbaufläche, Naturschutzgebiete auf 1,4 Prozent. 3,3 Prozent der Obst- und Weinbaufläche ist als Trinkwasser-, 0,5 Prozent als Heilquellenschutzgebiet ausgewiesen.

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Naturschutz vs. Pestizide. Die Entscheidung wird national getroffen.

Nach dem Bericht der Rapporteurin Sarah Wiener vom 3. März 2023 der Europäischen Kommission wird das im SUR-Vorschlag definierte Pestizidverbot bezüglich der national ausgewiesenen Schutzgebiete (CDAA) an die Mitgliedsstaaten zur Entscheidung gegeben. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten die Ziele für jedes Schutzgebiet einzeln prüfen müssen. Ist der Naturschutz das Ziel, so sollten Pestizide verboten sein. Ist dies nicht der Fall, wie zum Beispiel in vielen Landschaftsschutzgebieten, dann sind diese Gebiete nicht vom Verbot betroffen. Die Auswirkung der Flächenreduktion mit Streichung aller Landschaftsschutzgebiete wird in einer Szenario-Berechnung exemplarisch dargestellt. Klammert man Agrarflächen, die ausschließlich in Landschaftsschutzgebieten liegen aus der Verordnung aus, dann beläuft sich der Anteil von Agrarflächen in ökologisch sensiblen Gebieten auf deutschlandweit rund 21 146 km², davon 20 845 km² Ackerfläche und 301 km² Obst- und Weinbauflächen. Damit wären in Deutschland noch 16,9 Prozent der Gesamtackerfläche und 16,0 Prozent der Obst- und Weinbauflächen von einer Pestizidbeschränkung betroffen. Rheinland-Pfalz läge mit 9,2 Prozent der Ackerbaufläche und 10,0 Prozent der Obst- und Weinbaufläche unter dem bundesweiten Durchschnitt.

 Element Magazin - Pestizid Verordnung der EU, Flächenberechnung für RLP


Status quo der Landschaftsschutzgebiete durchsetzen.

Ob alle Agrarflächen in Landschaftsschutzgebieten vom Pestizidverbot ausgenommen oder doch betroffen sind, bleibt zu klären. Nach der Definition des Schutzgebietstyps gilt nach § 26 Abs. 1 BNatSchG: „Landschaftsschutzgebiete (LSG) sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist“ (https://www.bfn.de/landschaftsschutzgebiete). Schutzziel und Schutzzweck sind auch die Absicherung der Leistungsfähigkeit des „Naturhaushaltes“. Ob also der Schutzzweck des Landschaftsschutzgebiets nicht auch der Naturschutz ist, bleibt zu diskutieren.

 
Element Magazin - Sommerausgabe


Dieser Artikel ist in der Sommerausgabe #EM06 erschienen. 
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Quellen:
• Paper von Eichler/Brühl: Konkrete Flächenberechnungen für eine faktenbasierte Diskussion - Naturschutz und Landschaftsplanung (nul-online.de)
• Abbildung: Geobasisdaten/LBM-DE [2018]: © GeoBasis-DE / BKG [2021]; Nutzungsbedingungen: http://sg.geodatenzentrum.de/web_public/nutzungsbedingungen.pdf
• Foto von Dr. Carsten Brühl

 

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