Mit Strategie den Pfälzerwald erhalten.

Mit Strategie den Pfälzerwald erhalten.

Das Forstamt Haardt in Landau hat den größten Kommunalwaldanteil der Pfalz zu verzeichnen. Die beiden größten Waldbesitzer sind Landau mit rund 2 400 Hektar Waldbesitz und Neustadt NW mit rund 4 800 Hektar. Das Forstgebiet erstreckt sich vom nördlichen Weinbiet bis in die Südpfalz nach Eschbach, von der B48 bis nach Herxheim. Michael Leschnig ist der neue Leiter des Forstamts Haardt. Mit ihm haben wir über die Waldbrände gesprochen und darüber, wie es nun weitergeht.


Das Interview finden Sie in der Element-Ausgabe #EM03.


In diesem Jahr gab es vermehrt Waldbrände in der Pfalz. Wie kommen die Brände zustande?

ML Über 90 Prozent der Brände entstehen durch menschliche Unachtsamkeit. Gründe sind hierfür beispielsweise weggeworfene Zigaretten, Einweggrills, unerlaubtes Feuer im oder am Wald. Aber auch heiße Asche bei den waldnahen Wohnbebauungen. Durch Verwehung und Funkenflug kann es sein, dass sich dadurch der Wald entzündet. Weitere Ursachen sind beispielsweise auch heiße Katalysatoren, die in Waldnähe platziert wurden, wenn beispielsweise Konzerte veranstaltet werden und die Besucher ihre Autos auf den waldnahen Ackerflächen abstellen.

Element Magazin - Michael Leschnig, Forstamtleister Haardt
Michael Leschnig, Leiter Forstamt Haardt

 "Die Rasanz mit der sich die klimatischen Bedingungen verändern, ist in der Erdgeschichte unvergleichlich und ohne den Einfluss des Menschen nicht mehr erklärbar."


Der Mythos der Selbstentzündung, oder die Entzündung durch  Glasscherben et cetera, sind zu vernachlässigen?

Ja, der sogenannte Brennglas-Effekt, den Sie ansprechen, wurde untersucht. Allerdings müssen hierbei so viele Faktoren zusammentreffen, sodass dieser Mythos als Grund zu vernachlässigen ist. 

Lässt sich der Brand am Hambacher Schloss dann auch auf menschliches Versagen zurückführen? 

ML Das können wir noch nicht abschließend sagen. Demnächst findet,  gemeinsam mit dem zuständigen Revierleiter, ein Vor-Ort-Termin statt. Wir müssen dann entscheiden, was mit dieser großen Fläche zu tun ist. Wir sprechen von ca. 3,5 Hektar, auch die Kriminalpolizei ist eingeschaltet.

Wir wollen den Wald resilienter machen. Dabei führt an Ihnen kein Weg vorbei. Sie stehen permanent mit den Kommunen im Austausch, richtig? 

ML Ja genau richtig, da der Kommunalwald in unserem Forstamt die größte Waldfläche einnimmt, machen wir den einzelnen Kommunen  Bewirtschaftungsvorschläge für ihren Wald. Allerdings regiere ich nicht durch und sage “So machen wir`s”. Sondern wir folgen der bundesweiten Strategie und stehen zudem in ständigem Austausch mit der Wissenschaft. Hier vor Ort ist das die Forschungsanstalt “Waldökologie und Forstwirtschaft” in Trippstadt. Unsere Orientierung an den Gesetzen der Natur steht für uns ganz oben. Wir können es nicht besser als die Natur – das ist so. Daher müssen wir uns anstrengen zu verstehen, welche Mechanismen in der Natur funktionieren, sowie unsere menschlichen Ansprüche an den Wald, die Ökosystemleistungen, die der Wald für uns Menschen und das Ökosystem insgesamt darstellt. Der Haardtrand ist nach der bundesdeutschen Nomenklatur ein Hotspot der Biodiversität und daher sehr bedeutend.

Sie sagen, wir können es nicht besser als die Natur. Nehmen wir an, 100 Prozent bedeuten, dass wir unseren Job ganz gut gemacht haben. Wo stehen wir?

ML (lacht). Wie soll ich darauf antworten? Unsere heutigen Erkenntnisse sind die Grundlage unserer heutigen Entscheidungen. Sehen Sie, das Baumleben beispielsweise einer Kirsche beträgt 60 bis 80 Jahre. Im Vergleich, die berühmten Eichen im Pfälzerwald werden bis zu 250 - 300 Jahre alt. Wenn wir von der Kirsche ausgehen, dann sind wir im Zeitstrahl in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Dann müssen wir uns dabei überlegen, welche Ansprüche die Menschen damals an den Wald hatten, welche Informationen lagen ihnen vor und welcher Zeitgeist herrschte damals. Ich möchte unterstellen, dass unsere Vorfahren zu der damaligen Zeit, das bestmögliche getan haben, um das bestmögliche für den Wald und die Bedürfnisse der Menschen zu tun. Und aus unserer heutigen Sicht entscheiden und handeln wir, anhand der uns nun vorliegenden Informationen. 

Was passiert nun mit der verbrannten Erde rund um das Hambacher Schloss?

ML Das werden wir demnächst in einem Vor-Ort-Termin besprechen. Es gilt zu klären, wie wir den Wald wieder dorthin bringen. Als die Bayern um 1816 den Wald in einer Kulturleistung in die Region gebracht haben, herrschten hier Klimaextreme, Dürre und entsprechend Steppenlandschaft. Dort war es nur möglich, sehr genügsame Pionierbaumarten mit geringen Ansprüchen zu kultivieren, wie beispielsweise die Kiefer. Die Kiefer bringt einen guten Ertrag an Bauholz. Aber eben aus diesem Grund haben wir in unserem Bereich nun ausgedehnte Nadel- und vor allem Kiefernwälder, die durch den hohen Anteil an ätherischen Ölen leicht entzündlich sind. Obwohl die Waldbrandgefahr noch nicht vorüber ist, hatten wir einige Brände. Doch die großen Brände finden bei uns noch nicht statt. Die Rasanz mit der sich die klimatischen Bedingungen verändern, ist in der Erdgeschichte unvergleichlich und ohne den Einfluss des
Menschen nicht mehr erklärbar.

Das ist doch nun die Chance, den Baumbestand an die Bedingungen der Zukunft auszurichten. Wie sieht der zeitgemäße Wald demnach aus?

ML Ja, das ist richtig. Die Rasanz mit der sich die klimatischen Bedingungen verändern, ist in der Erdgeschichte unvergleichlich und ohne den Einfluss des Menschen nicht mehr erklärbar. Seit dem Beginn der systematischen Erfassung der Klimaparameter ergibt sich der Wert der Mitteltemperatur. Und daran lässt sich nun ablesen, dass die zehn heißesten Jahre grob ab 2000 vorkamen. In den letzten 22 Jahren hatten wir also eine extreme Häufung von Klimaextremen.
Im Jahr 2003 war der Hitzesommer. Darauf folgten die Jahre 2018, 2019 und 2020. Der Sommer 2021 verlief vergleichsweise normal. Die Periode 2018 bis 2020 werden aber mittlerweile als Zeigerjahre bezeichnet. Das bedeutet, dass das die Wetterumstände sind, auf die wir uns als die neue “Normalität” einstellen müssen. Und das ist dramatisch. Daher legen wir grundsätzlich großen Wert auf die Biodiversität. Das Oberziel hierbei ist es, klimaresiliente Wälder nicht nur
aufzubauen, sondern auch zu erhalten. Die Strategie ist eine politische Zielsetzung und sie sieht vor, laubbaumreiche Wälder zu etablieren und zu erhalten. Im Gegensatz zu den Kiefern sind diese Laubbaumarten von vorneherein auch besser gegen Waldbrände gefeit, da diese Bäume im
Gegensatz zur Kiefer weniger leicht entzündliche ätherische Öle enthalten. Für den Staatswald in unserem Bezirk setzen wir die Biodiversitätsstrategie RLP direkt um. Wir wollen 10 Prozent des Staatswaldes bis Ende 31.12.2022 aus der Bewirtschaftung rausnehmen. Bis Ende des Jahres werden wir also diese Flächen erfasst haben, diese werden dann auch nicht mehr bewirtschaftet.

Und wie sieht die Umsetzung der Strategie dann im Konkreten aus?

ML Dabei setzen wir auf sogenannte Klumpen. In diesen Klumpen pflanzen wir ca. 30 bis 50 Bäume im Karree. Wir gehen davon aus, dass von diesen  Klumpen mindestens ein Baum hervorgeht, der dann im herrschenden Endbestand auf Grund seiner positiven Eigenschaften, wie wenige Äste und gerader Stammwalze, als Zukunftsbaum dient. Zwischen den Klumpen lassen
wir ausreichend Platz für die natürliche Verjüngung, auch sie ist Teil der landesweiten Strategie. Durch diese natürliche Ausbreitung profitieren wir von der großen genetischen Vielfalt und setzen gleichzeitig die Initialzündung mit Baumarten, von denen wir heute glauben, dass sie für die nächsten hundert Jahre funktionieren. Wenn diese Klumpen allerdings nicht überleben sollten,
sollte zumindest die natürliche Verjüngung funktionieren. Das ist im Grunde genommen unsere Risikostreuung.

Welche Baumarten werden bei den Klumpen angepflanzt?

ML In der ersten Phase setzen wir auf die heimischen Baumarten. Das sind beispielsweise die heimische Buche und Eiche. Vor allem aber die Buche. Sie hat weltweit gesehen hier vor Ort ihr ökologisches Optimum. Außerdem hat sie bereits ehemalige Dürreperioden durchlitten, die zwar nicht so extrem waren wie die jetzigen, aber die Buche hat sich genetisch gut an diese Bedingungen
angepasst. Der Wald braucht eine gewisse Zeit, bis die neue Strategie greift.

Gibt es Möglichkeiten, die Resilienz zu beschleunigen und kurzfristige Maßnahmen umzusetzen?

ML Erstes Ziel ist die natürliche Verjüngung. Wir warten ab, bis wir sehen, welche Baumarten uns die Natur beschert. Das ist eine Strategie. Die Edelkastanie kommt aus dem Mittelmeerraum und wurde von den Römern bei uns eingeführt. Sie hat hier in den Wäldern eine große Verbreitung. Sie verträgt diese heißen Sommer besser. Am Schlossberg könnten wir beispielsweise auf
die Edelkastanie zurückgreifen. Im Revier hat ein Kollege, in Hinblick auf die klimatische Waldanpassung, einen Voranbau mit Buche gemacht. Unter alten Fichtenwäldern hat er vor 15 Jahren gleichzeitig Klumpen mit Buchen angelegt. Wenn die Fichten gefällt werden müssen, hat er gleichzeitig einen Vorsprung durch die gewachsenen Jung-Buchen.

 Element Magazin - ProLimno Gewässerschutz, Süßwasserökologie, Konzeptentwicklung
Lesen Sie außerdem:
Wassernot in der Pfalz? Wie der Klimawandel unsere Gewässer verändert.
Pestizideinsatz in Schutzgebieten - die EU möchte den Einsatz neu regeln.
Lesen Sie außerdem:
Die geplante Pestizidverordnung der EU – Konkrete Flächenberechnungen für Rheinland-Pfalz.

 

Wie steht es bei der Umsetzung der Strategie um die Privatwaldbesitzer? Wie holen Sie diese Eigentümer ab?

ML Vornehmlich im Wasgau haben wir viele sogenannte Handtücher, das sind kleine Waldgebiete, die häufig ausschließlich mit Fichten zugepflanzt sind. Aus Sicht des Forstgesetzes ist dagegen nichts zu sagen und wir haben hiergegen keine behördliche Handhabe. Der Eigentümer kann sich aber natürlich von uns beraten lassen. Wenn er uns fragt, dann würden wir mit Blick in die Zukunft argumentieren, besagte Eichen, Edelkastanien und dem Standort entsprechend Elsbeere oder Speierling zu pflanzen. Auch Vorwälder aus Aspe und Birke lassen sich etablieren, um darunter dann die zweite Generation Buche vorzubereiten. 

Woher bekommen Sie die Saaten und Pflanzen, die Sie für die Klumpen verwenden?

ML Im Oktober legen wir Netze aus. Wir sammeln diese dann selbst, oder lassen die Samen von Baumschulen sammeln, die uns diese dann anziehen. Die Pflanzen kaufen wir dann zurück und pflanzen diese im pfälzischen Hinterwald an Stellen, an denen wir nicht auf Naturverjüngung zurückgreifen
können. Die zugelassenen Bestände sind hierfür unsere Quelle. Es gibt das Forstvermehrungsgutgesetz, aus dem phänotypische Bäume hervorgehen. Das zertifizierte Pflanzgut wird dann verbunden, verplompt und mit Begleitschein versehen. Denn es muss nahtlos dokumentiert und verfolgt werden können.

Das heißt, wir alle könnten die Reichweite des Waldes vergrößern, indem wir die natürliche Streuung mit Saatgut proaktiv vorantreiben, indem wir die Samen beispielsweise aus dem Auto werfen?

ML (lacht) Ja, prinzipiell können Sie das machen und die sogenannten seed-bombs verbreiten. Wir machen das natürlich etwas planmäßiger.

Sind während des Sommers natürliche Wasserquellen oder Bachläufe trockengelaufen?

ML Es gibt Bäche und Quellen, die versiegt sind und auch trockengefallene Teiche. Wir versuchen im Zuge der Klimakrise den Wasserrückhalt im Wald zu verbessern. Wir schauen nach alten Teichen, die wir wieder reaktivieren wollen. So können wir den Wald als Schwamm nutzen, damit die Hochwasserspitzen an den großen Flüssen gemildert werden können, indem wir das Wasser dort behalten, wo es runterkommt. Und die Reaktivierung der Teiche ist Teil dieser Maßnahme. 

Gibt es Chancen ein Rewilding-Projekt im Pfälzerwald umzusetzen, auf Nutz- und Schießrecht zu verzichten und stattdessen auf die natürliche Regelung durch Karnivoren wie Luchs oder Wolf zu setzen?

ML Ja, den gibt es. Wir nennen es aber nicht Rewilding, bei dem die Natur und die Tiere sich ihre Umgebung selbst gestalten. In unseren Kernzonen des Biosphärenreservats, das sind immerhin drei Prozent der 137 000 Hektar, also rund 4 100 Hektar, ist der Wald sich selbst überlassen. Hier gilt der Prozessschutz, wir ziehen uns zurück und schützen dadurch die natürlichen Prozesse. Diese drei Prozent sind dauerhaft geschützt. Außerdem haben wir im Wirtschaftswald, also wo wir Holzernten durchführen, jeweils alle drei Hektar eine Biotopbaumgruppe mit mindestens 15 Bäumen, welche durch eine weiße Wellenlinie gekennzeichnet sind, die natürliche Strukturen aufweisen und die nicht mehr bewirtschaftet werden. Das gilt auch dann, wenn wir beispielsweise
Nester von Vögeln sichten. Diese Refugien erfassen wir dann digital in unserem geografischen Informationssystem.

Das heißt, der Prozessschutz berücksichtigt auch den Tierbestand?

ML Wenn im benachbarten Wald das Betriebsziel mindestens als gefährdet gilt, dürfen wir auch in diesen Gebieten jagen, das passiert aber punktuell in kurzen Eingriffen. Um die Störung so gering wie möglich zu halten, jagen wir nur einmal im Jahr in einer größeren Gemeinschaftsjagd.


Vielen Dank für das Gespräch Herr Leschnig!

 
zur Herbstausgabe #EM03

 

Zurück zum Blog